INTERVIEWJUGEND

…Erwachsene, die in der Welt rumlaufen und versuchen Null Fehler zu machen, das sind Leute, die sich nicht weiterentwickeln…

Man wird darauf getrimmt Null Fehler zu machen...

  • Haben Sie schon einmal eine Entscheidung bereut?

Ich habe sicherlich nicht alles richtig gemacht, ich habe z.B. die Schule hingeschmissen (sie dann aber nachgeholt), ich habe Dinge gemacht, die auf den ersten Blick nicht gut wirken, die Wahrheit ist aber, ich bereue nichts.

Ich bereue nichts, ich wünsche mir nur, dass ich einige Erfahrungen nicht hätte auf die harte Tour machen müssen, aber manchmal ist es einfach radikal notwendig.

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  • Haben Sie eine Lieblingserfolgsgeschichte?

Ja, natürlich! Das war vor 2 Jahren in Tirol, in einer HAK in Schwaz. Ich wurde eingeladen und alle Abschlussklassen waren dort. Es waren aber auch die Eltern da und die Großeltern. Ich habe also begonnen mit meinem Vortrag und nach einigen Sekunden war der Beamer kaputt. Das heißt, alles was ich vorbereitet hatte, war komplett futsch. Ich hab mir gedacht “na super!“ Der Techniker hat sich tausendmal entschuldigt und ich habe mir gedacht: Was machst du jetzt? Ich hab dann freestyle gemacht, also den ganzen Vortrag komplett frei gehalten.

Irgendwann hat sich dann ein Mädchen für Ihre Freundin, die sich nicht getraut hatte, gemeldet. Ihre Freundin würde so gerne ins Ausland gehen, aber ihre Eltern sagen ihr andauernd, das ist zu unsicher. Ich hab ihr dann gesagt, dass wenn sie das wirklich will, sie es auf jeden Fall machen sollte, da sie es sonst ein Leben lang bereuen wird. Wenn sie dann drauf kommt, dass das wirklich nichts für sie ist, dann kann sie immer noch zurück kommen.

Das ist jetzt 2 Jahre her. Ich habe dieser Tage eine Nachricht auf Instagram bekommen von einem Mädchen. Sie hat mir geschrieben: „Ali, ich war vor 2 Jahren auf einem Vortrag von dir in Schwaz und der hat mich so verändert. Ich bin jetzt schon 7 Monate in den USA und arbeite hier und hab den größten Spaß.“ Und wenn ich sowas höre – sie hat damals nicht an sich geglaubt, ihr ganzes Umfeld hat gesagt geh ja nicht raus aus Tirol und bleib immer zu Hause – das macht mich dann schon stolz.

Ein Junge hat mir geschrieben, er würde so gerne Koch werden, aber seine Eltern sagen, Koch ist ein Blödsinn. Dem habe ich Informationen gegeben, was es bedeutet heute Koch zu sein, und weshalb aktuell so viele Unternehmen Köche suchen. Er hat mir geschrieben, er hat meine Informationen genommen, mit seinen Eltern und mit seiner Lehrerin gesprochen, und jetzt beginnt er eine Lehre als Koch.

Wenn ich so was höre, das ist schon cool.

  • Machen Sie etwas besonders für Menschen / Jugendliche mit Migrationshintergrund? Denken Sie, dass es so etwas braucht?

Ja, definitiv. Da gibt es Studien aus Deutschland, dass jemand, der den Vornamen „Ali“ hat, 6 x schlechtere Chancen hat einen Job zu bekommen, als jemand mit deutschem oder österreichischem Namen mit denselben Qualifikationen. So jemandem zu sagen, du hast dieselben Chancen wie jeder andere ist nicht gelogen, aber nur wenn er sich um ein Vielfaches bemüht. Ich weiß noch, als ich die Schule abgebrochen habe, mit meinem Nachnamen und als Flüchtling, ich hab mich 10 Mal öfters bewerben müssen und 1.000 Mal mehr anstrengen. Das hat mich geprägt, und heute kann mich keiner mehr aufhalten, weil ich gelernt habe, diese Extrameile zu gehen.

Und ich merke, dass manche Jugendliche mit Migrationsbackground, die zu Hause nicht gestärkt werden, daran zerbrechen. Andere wiederum sagen, „Hey, wir sind in einem tollen Land, wir können uns integrieren, wir müssen uns nur ein bisschen mehr anstrengen als andere.“ Und das sind Jugendliche, wenn die später am Arbeitsmarkt sind, die kann keiner aufhalten. Die sind voll auf Zack, die wissen wer sie sind, weil die es von Anfang an schon schwieriger hatten.

Das darf man nicht vergessen – jemand, der einen Migrationsbackground hat, ist jemand, der sich bewiesen hat, jemand der bereit ist, die Extrameile zu gehen, jemand, der bewiesen hat, multikulturell zu funktionieren, jemand der bewiesen hat, wenn es drauf an kommt, kann er auch neue Dinge lernen – das sind alles Sachen wo Führungskräfte heute sagen: Solche Leute brauchen wir in der Wirtschaft.

Die Wirtschaft ändert  sich heute so radikal und so schnell, dass es Menschen braucht, die veränderungsbereit sind. Jemand der sich integriert hat, jemand mit Migrationsbackground, der hat alle diese Dinge erledigt, der hat sie komplett geschafft.

Menschen mit Migrationshintergrund haben natürlich einen riesen Nachteil – das ist aber auch normal, das ist auf der ganzen Welt so – aber wenn man es schafft das als Chance zu sehen, dann ist es kein Problem. Es geht nur darum den Leuten eine Art Hoffnung und Perspektive aufzuzeigen.

  • Finden Sie, Jugendliche werden genug gefördert bzw. haben genügend Überblick?

Also das Thema Fördern und Fordern ist immer hochaktuell. Es gibt immer Lehrer, die den Kindern etwas zutrauen und die Eltern machen es kaputt oder umgekehrt. Ich denke, dass die Politik auf jeden Fall darauf achten sollte, Potentiale von Kindern zu entwickeln, und da legen wir aktuell in Österreich nicht so viel Wert darauf, denn wir streichen schon wieder einige Stellen von Lehrern – dabei bräuchten wir noch viel mehr Förderung. Wir müssten Lehrer stärken, damit sie Kinder stärken.

In der Welt, die wir heute haben, die immer vielfältiger und komplexer wird, sucht man auch Jugendliche die komplex denken können. Das lernst du in der Schule nicht. Da lernst du einen Text zu schreiben und es steht da, du hast 4 Fehler, aber nicht, dass du 16 Richtige hast. Du wirst darauf getrimmt Null Fehler zu machen. Und das Problem, das wir heute haben ist, dass Erwachsene, die in der Welt rumlaufen und versuchen Null Fehler zu machen, das sind Leute, die sich nicht weiterentwickeln – wir brauchen aber Leute die sich ständig weiterentwickeln.

  • Sind Sie auch für Einzelne da? Lässt das Ihre Zeit zu?

Ich bekomme viele Einzelfragen auch über Social Media, ich kann nicht immer alle sofort beantworten, das geht nicht. Was ich aber mache ist, die Fragen zu sammeln, und dann mache ich ein Video dazu, das ich dann über Social Media poste. Ich hab eine Reihe begonnen, die heißt „Ask Ali“. Da habe ich schon mehr als 25 Folgen gemacht, und da spreche ich die ganz klassischen Fragen wie Studium, Matura, Lehre usw. an.

 

Foto: Ali Mahlodji

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