Natascha Kalod, Brustkrebspatientin „Es zieht einem den Boden unter den Füßen weg“
Sehr geehrte Frau Kalod, können Sie sich bitte kurz vorstellen?
Ich heiße Natascha, habe einen 17-jährigen Sohn, seit fast 10 Jahren einen Lebensgefährten und bekam vor 3 Jahren die Diagnose Brustkrebs, Triple negativ, hochgradig aggressiv, mit einer sehr hohen Tumor Teilungsrate.
Oktober ist der Brustkrebsmonat. Was ist Ihr erster Gedanke dazu?
Unbedingt zur Vorsorge gehen! Nicht aufschieben auf nächsten Monat oder nächstes Jahr. Immer wieder selbst abtasten. Früherkennung kann Leben retten!
Haben Sie aktuell Brustkrebs?
Aktuell bin ich stabil, ich habe regelmäßige engmaschige Nachsorgekontrollen, kämpfe mit vielen Nebenwirkungen der Chemos aber dafür lebe ich noch. Das Rückfallrisiko bei meiner Krebsart ist in den ersten 5 Jahren sehr hoch, somit freut man sich über jeden Tag, den man ohne Rezidiv (Rückfall, Anm.) erleben darf.
Wie haben Sie gemerkt, dass Sie krank sind?
Nachdem ich ungefähr 3 Wochen immer wieder ein Ziehen und Stechen in der Brust hatte und der Schmerz immer schlimmer wurde, habe ich dann eines Abends nach dem Duschen meine Brust selbst abgetastet und den Knoten sofort „gefunden“. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits 4,2 cm groß. Am nächsten Tag habe ich unseren Hausarzt aufgesucht, daraufhin folgte eine Mammographie, danach die Biopsie und dann kam das große Warten. Am 28.12.2015 folgte dann die Schockdiagnose.
Wie lange hat Ihre Therapie gedauert? Gab es Rückschläge?
Meine Therapie begann sofort Anfang Jänner, mit geplanten 6 hochdosierten Chemos – alle 3 Wochen in einem 3er Schema. Aus diesen 6 wurden dann 7, da ich ab der 2. Chemo solche Schwierigkeiten damit hatte, dass sie mir niedriger dosiert verabreicht wurden. Mitte Juni folgte dann meine brusterhaltende OP und Anfang August ging es dann los mit den Bestrahlungen. Im September war der Therapiemarathon dann vorerst endlich zu Ende.
Ein großer Rückschlag für mich war, dass ich die Chemos sehr schlecht vertragen habe und dass aus 6 Stück dann 7 wurden. Da ich mit sämtlichen Nebenwirkungen zu kämpfen hatte während dieser Zeit und es bei jeder Chemo schlimmer wurde, war ich nach der 4. so verzweifelt, dass ich abbrechen wollte. Diese Entscheidung habe ich dann wieder revidiert, weil ich wusste, dass ich ohne Chemo keine Chance gehabt hätte, das Ganze lebend zu überstehen
Wie geht man mit der Diagnose Krebs um?
Wenn man die Diagnose Krebs bekommt, zieht es einem den Boden unter den Füßen weg. Man kann nicht klar denken und es fühlt sich so an, als würde neben einem ein Film ablaufen und man realisiert nicht, dass man selbst der Hauptdarsteller ist.
Wie hat Ihr Umfeld reagiert?
Mein Umfeld war mit der Diagnose ebenfalls überfordert. Die Angst und das Mitleid der anderen waren deutlich zu spüren. Auch musste man sich mit Dingen auseinandersetzen, die man sonst aufschiebt. Fragen wie – was ist zu regeln, wenn es schief geht, wie soll meine Beerdigung aussehen usw. überforderten mich und meine Lieben.
Was war Ihre größte Angst?
Die größte Angst war, dass ich aus der Sache nicht lebend rauskomme. Dass ich nicht mehr sehe, wie mein Kind aufwächst, die Schule beendet, heiratet, selbst Kinder bekommt. Dass es noch so viel gibt, was ich noch machen möchte.
Haben Sie sich von anderen verstanden gefühlt?
Die Menschen um mich herum waren sehr verständnisvoll und haben sehr viel Rücksicht auf mich genommen. Mein Partner und meine Eltern haben mich immer aufgemuntert weiter zu machen.
Leider sind durch diese Diagnose auch viele lange Freundschaften auseinandergebrochen, weil diese Menschen nicht wussten, wie sie mit mir umgehen sollen. Dafür sind Freundschaften entstanden, die ich nie wieder missen möchte. Meine 4 „Soulsister-Mädels“ sind ebenfalls BK-Erkrankte und ohne den Krebs hätte ich diese nie kennengelernt. Unsere liebe Barbara ist im vorigen Jahr leider schon „vorausgegangen“, aber immer in unseren Herzen.
Inwieweit denken Sie, haben Sie sich als Mensch durch die Krankheit verändert?
Diese Krankheit hat mich gelehrt, Dinge nicht mehr so wichtig zu nehmen wie zuvor, alles gelassener zu sehen, nichts mehr aufzuschieben. Ich bin viel ruhiger geworden, als ich es zuvor war und weiß jeden Tag, der mir geschenkt wird, zu schätzen.
Was wünschen Sie sich?
ZEIT, viel Zeit, um diese mit meinen Lieblingsmenschen verbringen zu können und um mir noch so manchen Traum zu verwirklichen.
Was hat Ihnen geholfen?
Geholfen haben mir meine Eltern – vor allem meine Mama, die durch ihre eigene Brustkrebserkrankung „verstehen“ konnte, wie es mir geht, mein Mann, mein Kind und meine Freunde, ohne diese Menschen hätte ich diese schwere Zeit nicht überstanden – und der Wille noch nicht „gehen“ zu wollen.
Welchen Ratschlag haben Sie an unsere Leserinnen?
Mein Rat an alle – nur nicht aufgeben! Man darf zwischendurch weinen und fluchen, aber dann richtet man sich seine Krone und kämpft weiter. Es gibt ein Leben nach dem Krebs, auch wenn man mitten in den Behandlungen nicht daran glaubt, und dieses Leben ist besser als das davor. Mein Leitspruch seither: Genieße den Augenblick, denn der Augenblick ist dein Leben!
Foto: Sabine Hauswirth/Krebshilfe