Sehr geehrter Herr Bundesminister!
Sie haben in einer sehr schwierigen Zeit das Amt des Bildungsministers übernommen. Im Sinne aller unserer Kinder wünsche ich Ihnen viel Erfolg für diese wichtige Aufgabe. Es stehen natürlich zahlreiche pandemiebedingte Herausforderungen an, aber es ist auch wichtig, dass strukturelle Themen und Defizite nicht außer Acht gelassen werden.
Die von uns initialisierte parlamentarische Bürgerinitiative zur Abschaffung von Deutschförderklassen ist ein guter Anlass, um auf politischer Ebene das System der Deutschförderklassen zu diskutieren und zu hinterfragen. Reden Sie über dieses Thema mit den Direktorinnen und Direktoren, reden Sie mit dem Lehrpersonal und – vor allem – reden Sie mit den betroffenen Kindern und Familien! Alle werden Ihnen bestätigen, dass dieses verfehlte System nicht funktioniert. Manche Schulen verzichten sogar aufgrund von starken Bedenken der Schulleitungen darauf, diese diskriminierenden Klassen einzurichten. Auch die derzeit vorhandenen Studien und Forschungsarbeiten zeigen, dass Deutschförderklassen nicht der richtige Weg sind, um Kindern mit nicht-deutscher Muttersprache, die dringend benötigte Unterstützung für den Spracherwerb zukommen zu lassen. Leider gab es bis jetzt, trotz mehrfacher Ankündigung, keine offizielle Evaluierung der Deutschförderklassen seitens des Ministeriums, die die Defizite klar aufzeigen würde.
Diese Kinder brauchen eine adäquate Deutschförderung, das steht außer Streit, aber das wird sicherlich nicht funktionieren, indem man sie in eigene Klassen steckt, ihre Perspektiven verbaut und ihnen verwehrt, von ihren Mitschülerinnen und Mitschülern zu lernen. Sie gehören keiner Klassengemeinschaft an, sie werden als „Fremdkörper“ in der Schule behandelt und haben keine Chance, die vorhandenen Defizite zu kompensieren. Das System der Deutschförderklassen ist an der Realität gescheitert und nun, aus politischen Überlegungen heraus, an einem System festzuhalten, das nicht funktioniert, ist alles andere als fair gegenüber den betroffenen Kindern, die unter diesem System nachhaltig leiden.
Die COVID19-Pandemie hat die Situation nochmals verschärft und viele der betroffenen Kinder wurden in dieser Zeit im Stich gelassen. Es wird eine große Herausforderung sein, die Defizite, die durch die Schulschließungen und das Distance-Learning zu Tage getreten sind, zu kompensieren. Gerade bei jenen Kindern, bei denen zuhause die Rahmenbedingungen nicht optimal sind, ist es wichtig, dass wir die Schräglage zu Lasten dieser Kinder ausgleichen, statt sie weiter zu verstärken. Diese Kinder haben es nämlich verdient, in echte Klassen zu gehen, echte Zeugnisse mit echten Noten zu bekommen und nicht zuletzt eine echte Chance auf eine erfolgreiche Zukunft zu erhalten. Das sind wir diesen Kindern als Bildungssystem und auch als Politik schuldig.
Über 11.000 Menschen haben die Online-Petition zur Abschaffung von Deutschförderklassen unterzeichnet und fast 6.000 Menschen unterstützen die parlamentarische Bürgerinitiative, die von uns initiiert wurde und aktuell im Petitionsausschuss zur Diskussion steht. Hören Sie auf, über die Köpfe der betroffenen Kinder hinweg, ein System künstlich am Leben zu erhalten, das gescheitert ist. Ziehen Sie endlich die Reißleine und beenden Sie die Segregation und Diskriminierung dieser Kinder! Machen Sie diesem ungerechten und intransparenten System an unseren Schulen ein Ende und schaffen Sie Rahmenbedingungen, die diese Kinder tatsächlich brauchen, um erfolgreich zu sein. Statt wie Ihr Vorgänger Parteipolitik auf dem Rücken dieser Kinder zu betreiben, geben Sie Ihnen eine Chance auf eine erfolgreiche Zukunft – das hat nämlich jedes einzelne dieser Kinder verdient!
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Tarik Mete
Initiator der parlamentarischen Bürgerinitiative
zur Abschaffung der Deutschförderklassen