Tag der Kriminalitätsopfer: Nehammer betont Nachhaltigkeit als Schlüssel zum Erfolg
(BMI) „Wir sind als Polizei immer gefordert über den Opferschutz nachzudenken, denn der Opferschutz ist für die Polizei auch eine ganz wesentliche Maßnahme, um Sicherheit zu gewährleisten“, sagte Innenminister Karl Nehammer anlässlich des zehnjährigen Jubiläums des mit der Verbrechensopferhilfe Weisser Ring ausgerichteten Veranstaltung zum Tag der Kriminalitätsopfer am 21. Februar 2020 in Wien. Unter dem Motto „Zurück in die Zukunft“ nahmen die Veranstalter das Jubiläum zum Anlass, um gemeinsam mit Expertinnen und Experten einen Blick auf die Themen der vergangenen Jahre zu werfen und deren Bedeutung für Gegenwart und Zukunft der Opferhilfe zu evaluieren.
Das Innenministerium legt mit Unterstützungszahlungen in der Gesamthöhe von über 4,4 Millionen Euro an Gewaltschutzzentren und Interventionsstellen in allen Bundesländern die Grundlage für die Arbeit vieler Organisationen für Opferschutz und Opferhilfe. Die stetig steigenden Zahlen seien auch Beleg dafür, wie wichtig das Thema dem Innenministerium und der Polizei sei, unterstrich Nehammer.
Justizministerin Alma Zadic betonte, dass sie sich den Forderungen des Weissen Rings annehmen möchte, auch sei ihr der verbesserte Schutz vor Gewalt und Hass im Netz ein wichtiges Anliegen. „Hass im Netz kann zu abscheulichen Taten führen. Wir müssen hier ansetzen“, sagte Zadic.
Susanne Raab, Bundesministerin für Frauen und Integration hob in ihrem Statement die seit 2014 „traurige Verdoppelung“ der Frauenmorde in Österreich hervor. „Wir dürfen dabei nicht einfach zuschauen und werden keinen Millimeter an Toleranz zulassen“, sagte die Ministerin.
Der inhaltliche Bogen des Symposiums spannte sich von der ehrenamtlichen Arbeit über die EU-Opferschutz-Richtlinie, verschiedene Zielgruppen der Opfer-Arbeit bis hin zu aktuell im Fokus stehenden Delikten wie Hasskriminalität und Cyber-Verbrechen. Udo Jesionek, Präsident des Weissen Rings, wies in seiner Begrüßungsansprache darauf hin, dass diese Themen auch jeweils für langfristige Arbeitsschwerpunkte des Weissen Rings stehen: „Keines der Themen, die in den vergangenen Jahren im Zentrum des Tags der Kriminalitätsopfer standen, hat uns als Weisser Ring wieder losgelassen. Sie sind vielmehr Schwerpunkte unserer täglichen Arbeit geworden.“
Das Symposium bietet regelmäßig Gelegenheit, Themen, die die Opferhilfe besonders beschäftigen, an die Öffentlichkeit zu bringen und möglichst breit zu diskutieren. Die Veranstaltung bietet außerdem einen Rahmen für die Vernetzung zwischen Organisationen wie Opferhilfe-Einrichtungen, Polizei, Justiz, Wissenschaft. So sind über die Jahre ein breites Netzwerk und starke Allianzen entstanden, die es ermöglichen, erfolgreich und umfassend für die Interessen der Opfer von Straftaten einzutreten.
Rückblick und Ausblick
Die Fachveranstaltung folgte in ihrem Programm chronologisch den Themen, die seit 2011 jeweils im Zentrum der Veranstaltungen standen:
2011: Ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Opferschutz-Organisationen – Stellvertretend für die zahlreichen ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ihre Zeit unentgeltlich zur Verfügung stellten, holte der Weisse Ring sechs Persönlichkeiten vor den Vorhang.
2012: Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Mindeststandards für Rechte und Schutz von Opfern von Straftaten – Tobias Körtner, Leiter Opferhilfe Weisser Ring, präsentierte zentrale Ergebnisse der Studie VOCIARE: „In Österreich sind die Opferrechte relativ gut umgesetzt. Verbesserungsbedarf gibt es bei Themen wie der Verständlichkeit der Information, die Opfer von Straftaten erhalten, oder der Verfügbarkeit qualifizierter Dolmetscherinnen und Dolmetscher. Aber auch bei der Frage, wie Betroffene überhaupt von Unterstützungsangeboten erfahren sowie bei der individuellen Feststellung der besonderen Schutzbedürftigkeit ist noch einiges zu tun.“
2013: Seniorinnen und Senioren als Opfer: Besonders betroffen – besonders betreut? – Gertrude Brinek, Ehrenkonsulentin Weisser Ring: „Wir wollen neben den potenziellen Opfern vor allem jene erreichen, mit denen sie in Kontakt kommen könnten. Deshalb wollen wir mit Kammern, Banken, Senioren-Organisationen oder Organisationen, die Heimhilfe anbieten, zusammenarbeiten.“
2014: Betroffen sind sie auch: Angehörige – Hinterbliebene – Tatzeugen – Kinder und Jugendliche erleben viel zu oft Gewalt – und noch viel öfter werden sie unfreiwillig zum Publikum einer Gewaltbeziehung. Barbara Neudecker, Fachstelle Prozessbegleitung für Kinder und Jugendliche: „Es steht außer Zweifel, dass Kinder und Jugendliche durch das Miterleben von Gewalt viktimisiert werden.“
2015: Jugendliche als Betroffene von Straftaten im öffentlichen Raum – Gerade bei Hasskriminalität ist es gar nicht immer einfach festzustellen, ob es sich um eine Straftat handelt. Und in Studien tritt immer wieder zutage, dass Betroffene viel zu wenig über mögliche Hilfestellungen wissen. Das gilt auch für Jugendliche.
2016: Tatort Arbeitsplatz: Prävention und Opferhilfe im Rahmen von Gewalt im Arbeitsumfeld – Elisabeth Vondrasek, stv. vida-Vorsitzende, betonte: „Es gibt zwar keine Patentrezepte zur Bewältigung von Aggression und Gewalt. Die Gewerkschaft vida kann aber mit ihrer Informationsplattform Tatort Arbeitsplatz Bewusstsein schaffen, Unterstützungen geben und darüber informieren, was jede und jeder Einzelne selbst tun kann. Es ist jedenfalls wichtig, Gewalt oder Einschüchterung am Arbeitsplatz nicht einfach nur hinzunehmen.“ Brigitta Pongratz, Projektbetreuung und Öffentlichkeitsarbeit Weisser Ring, ergänzt: „Der Weisse Ring bietet mit dem Opfer-Notruf 0800 112 112 eine 24 Stunden täglich verfügbare erste Anlaufstelle für Betroffene.“
2017: Wenn aus Hass Verbrechen werden: Wirksame Maßnahmen gegen Hasskriminalität – „Valide Daten sind für eine nachhaltige Polizeiarbeit wichtig, um durch datenbasierte Strategien Opfer besser schützen zu können“, sagte Johanna Eteme, Leiterin der Abteilung für grund- und menschenrechtliche Angelegenheiten im Bundesministerium für Inneres. Sie stellte ein zweijähriges EU-kofinanziertes Projekt des Bundesministeriums für Inneres vor, das seit 1. Juli 2019 läuft und mit dem Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie (IRKS) als wissenschaftlichem Partner und unter Einbeziehung von Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft durchgeführt wird.
2018: Zivilcourage – Chancen und Risken: Wegschauen ist keine Lösung –
Der vielfach ausgezeichnete Lyriker, Autor, Kabarettist und Poetry Slammer Fabian Navarro zeigte in seinem Poetry Slam „Nett sein ist uncool“ auf unterhaltsame Weise, warum sich nicht alle Probleme mit Nettigkeit lösen lassen und wie klar gezogene Grenzen wirken.
2019: Cyber-Verbrechen verletzen real – Dana Pajkovic, NEUSTART und FH St. Pölten, und Antonia Dangl, Studentin FH St. Pölten, präsentierten den Zwischenbericht zu einem studentischen Projekt, das Hass im Netz auf zwei Arten thematisiert – einerseits in Form von Abschlussarbeiten und andererseits im Rahmen eines Filmprojekts. Im Filmprojekt „Zivile Helden – Stimmen gegen Hass im Netz“ wurden Stimmen zivilgesellschaftlicher Vertreterinnen und Vertreter gesammelt, um daraus einen Kurzfilm zu entwickeln. Nikolaus Tsekas, Leiter NEUSTART Wien 1, stellte das Programm „Dialog statt Hass“ vor.
Der WEISSE RING
Der Weisse Ring ist Österreichs einzige allgemeine Opferhilfe-Organisation, die allen Opfern krimineller Handlungen jeglicher Form offensteht. Rasch, unbürokratisch und kostenlos werden professionelle Beratung und Betreuung, psychosoziale und juristische Prozessbegleitung und finanzielle Hilfe im Notfall geboten.
Darüber hinaus ist der Weisse Ring Anlaufstelle und Drehscheibe für Informationen über die Angebote anderer Opferhilfe-Einrichtungen. Im Auftrag des Bundesministeriums für Justiz betreibt der Weisse Ring den aus ganz Österreich gebührenfrei und rund um die Uhr erreichbaren Opfer-Notruf 0800 112 112 als erste, zentrale Anlaufstelle für alle Opfer krimineller Handlungen.
Foto: © BMI / Pachauer