Wer arbeitet, darf nicht der Dumme sein
Während ich diese Zeilen schreibe, gehen die ersten Streikversammlungen im Pflegebereich los. Nach einigen Verhandlungsrunden für den Kollektivvertrag im Pflege- und Sozialbereich hat sich dort wenig getan: Die VertreterInnen auf Seiten der ArbeitnehmerInnen fordern klar und deutlich eine Verringerung der Arbeitszeit auf 35h bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Die ArbeitgeberInnen verweigern sich dieser Forderung. Und nun kam es, wie es kommen soll: Die Gewerkschaft hat Warnstreiks ausgerufen. Und das ist gut so, denn es braucht diesen Druck!
Wenn Sie diese Zeilen lesen, werden die Verhandlungen womöglich schon abgeschlossen sein. Hoffentlich können sich die Pflegerinnen und Pfleger dann darüber freuen, dass sie weiterhin ihr volles Gehalt beziehen aber gleichzeitig mehr Stunden haben, um die eigene Familie oder Freunde zu sehen. Um sich von der Belastung zu erholen, die diese Arbeit mit Menschen mit sich bringt.
Denn ja, Pflegearbeit erfordert viel körperliche Kraft. Es erfordert eine hohe soziale Kompetenz und viel Empathie. Aber anders, als viele es wahrhaben wollen, ist es auch für Menschen, die diese Qualifikationen mit sich bringen, ein belastender Job. Er erfordert viel Raum, um abzuschalten und sich auf die eigenen Bedürfnisse zu konzentrieren.
Menschen im Bereich der Pflege leisten enorm viel für unsere Gesellschaft. Wir wiederum behandeln sie nicht ihrer Leistung entsprechend – damit muss Schluss sein. Diese Menschen haben eine Ausbildung gemacht und stellen sich in den Dienst der Gesellschaft. Sie pflegen unsere Eltern, betreuen unsere Kinder und auch uns. Aber der Dienst an der Gesellschaft allein zahlt keine Miete oder macht die Rückenschmerzen wett. Ich erwarte mir, dass wir ihnen mit derselben Professionalität begegnen, die sie an den Tag legen. Nehmen wir ihre Forderung ernst. Denn es ist höchste Zeit für eine Arbeitszeitverkürzung. Und der Pflege- und Sozialbereich wird erst der Anfang sein.